Hongkong - das Tor zu China und Südostasien

Zu Gast: Stefan Schmierer

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Hongkong gilt als das Tor zu China und Südostasien. Tourismus- und Architektur-Fans begeistert das Business-Zentrum mit seinen in den Himmel ragenden Wolkenkratzern gleichermaßen. Für Unternehmer ist die chinesische Sonderverwaltungszone einerseits interessant, wenn sie in der zahlungskräftigen Metropole selbst Geschäfte machen wollen. Andererseits bietet sie als Firmensitz die Nähe zu den Märkten in China und anderen asiatischen Wirtschaftsregionen. 

Welche Standortvorteile Hongkong genau bietet, für welche Unternehmen sich ein Sitz in der Sonderverwaltungszone lohnt und wie das Leben in Hongkong fernab von ersten touristischen Eindrücken wirklich ist, darüber haben wir in unserem aktuellen Podcast mit Stefan Schmierer gesprochen. Er lebt seit 13 Jahren in Hongkong und betreut als dort zugelassener deutsche Rechtsanwalt seine Mandanten in Fragen des deutschen und des Hongkonger Rechts.  

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Leben und arbeiten in Hongkong 

Hongkong erhält mitunter den Spitznamen „China light“. China hat die Staatshoheit über die Sonderverwaltungszone, jedoch besitzt Hongkong eine hohe innere Autonomie, eine eigene Währung und es herrscht freie Marktwirtschaft. Der Großteil der Bevölkerung ist chinesischer Abstammung. Damit ist Hongkong ideal für alle jene, die gern in China und die chinesische Mentalität „hereinschnuppern“ möchten. Zugleich trifft hier Ost auf West und der westliche Einfluss bleibt zu spüren. 

Dabei ist Hongkong viel mehr als nur eine Stadt, in der Banken und Business sichtlich boomen. Neben Stadtliebhabern kommen hier auch Naturverbundene auf ihre Kosten, denn längst nicht die gesamte Fläche von Hongkong ist bebaubar. Es gibt viel gebirgiges Gelände und rund 230 unbewohnte Inseln - die besten Voraussetzungen für eine entspannte Freizeit und Sportarten wie das Trailrunning, das sich besonders großer Beliebtheit erfreut. Damit ist Hongkong auch für Sportbegeisterte eine spannende Destination.

Dieser Aspekt ist zudem für Unternehmer interessant, denn Sport- und Gesundheitsprodukte treffen hier auf einen kaufkräftigen Absatzmarkt. Dasselbe gilt für Medizinprodukte, für die in Hongkong viel Geld ausgegeben wird.

Für die medizinische Versorgung steht in Hongkong einerseits das öffentliche Gesundheitssystem zur Verfügung, andererseits gibt es private Krankenhäuser. Die öffentliche Gesundheitsversorgung ist erschwinglich und gut ausgestattet, allerdings kann es zu langen Wartezeiten kommen. Daher greifen viele Menschen  auf private Angebote zurück. Wer sich für ein Leben in Hongkong entscheidet, benötigt dementsprechend eine private Krankenversicherung - ein Aspekt, den auch Unternehmer beachten müssen, wenn sie Mitarbeiter in Hongkong stationieren.

6 Vorteile von Hongkong für Unternehmen 

1. Die Nähe zu China

In den vergangenen Jahren war der Zugang zu China aufgrund der COVID-Pandemie beschränkt, doch eine erneute Öffnung ist in Sicht. Damit ist Hongkong besonders für Unternehmer interessant, die ihre Produkte auf dem chinesischen Markt anbieten möchten. 

2. Auslandsunternehmen-freundliches Bankensystem

In Hongkong bietet sich für Unternehmer die Möglichkeit, einen Multi-Currency-Account zu eröffnen. Dabei handelt es sich um ein Konto in mehreren Währungen. Sie können also Einzahlungen in Euro, Hongkong-Dollar oder RMB erhalten, bei Bedarf in eine andere Währung wechseln oder mit anderen Währungen Zahlungen vornehmen. Komplizierte Transaktionen zwischen unterschiedlichen Konten oder aber ungünstige Wechselkurse und damit verbundene Verluste werden vermieden.

3. Einfache Firmengründung

Die Firmengründung ist in Hongkong deutlich günstiger und schneller möglich als in China. Während sie in China rund 6 Monate dauert und mit Kosten in Höhe von ca. 15.000 EUR verbunden ist, kostet sie in Hongkong rund 3.000 EUR und geht innerhalb von nur 7 Tagen über die Bühne. Daher entscheiden sich zahlreiche Unternehmer, in Hongkong statt in China eine Holding speziell für den chinesischen Markt zu gründen.

4. Risikoabschirmung

Vom chinesischen Markt ausgehende Risiken können sich bei einer Tochtergesellschaft in China direkt auf ein deutsches Unternehmen auswirken. Ist eine Gesellschaft in Hongkong zwischengeschaltet, werden diese Risiken minimiert.

5. Steuervorteile für Offshore-Gesellschaften

Einkünfte aus Offshore-Gesellschaften sind in Hongkong steuerfrei. Damit ist Hongkong steuerlich für diese besonders interessant. Für Einkünfte, die nicht offshore, sondern in Hongkong selbst erwirtschaftet werden, fallen Steuern in Höhe von 8 % auf die ersten 200.000 EUR an. Gewinne über diese Summe hinaus werden mit rund 16 % besteuert. Allerdings gibt es weder Mehrwertsteuer noch eine Steuer auf Dividenden sowie auf Zinsen. 

6. Kryptofreundlichkeit

Hongkong ist im Vergleich zu anderen Unternehmen, unter anderem in Europa, Kryptowährungen gegenüber aufgeschlossen. Die Kryptofreundlichkeit betrifft sowohl Zahlungstransfers als auch Mining und Staking. Daher sind hier beispielsweise auf Kryptobörsen zu finden.

Zu welchen Herausforderungen es kommen kann

Für Unternehmer kann es in Hongkong zu besonderen Herausforderungen kommen, wenn es um den Aufbau eines Mitarbeiterstammes geht. Generell gilt Hongkong als beliebte Destination auch für Arbeitnehmer. Aufenthaltsgenehmigungen sind innerhalb von zehn Wochen oder weniger erhältlich und auch die Verlängerung von Visa wird flexibel gehandhabt. Allerdings ist es nicht immer einfach, geeignete Mitarbeiter zu entsenden. Wer die notwendige Arbeitserfahrung hat, ist meistens familiär im Heimatland eingebunden. Jüngeren, ungebundenen Mitarbeitern fehlt mitunter die nötige Erfahrung, um neue Abteilungen im Ausland aufzubauen und zu entwickeln. Da auch die Schulkosten und die Mieten hoch sind, müssen Arbeitgeber, die Personal aus Deutschland, Österreich oder der Schweiz entsenden, daher mit entsprechend hohen Gehaltskosten rechnen.

Welche Standortvorteile oder Herausforderungen Ihnen in Hongkong noch begegnen können und ob sich für Sie vielleicht eher China oder Singapur als Standort lohnen, können Sie hier erfahren

Planen Sie vielleicht sogar schon, Ihre Fühler in die asiatische Metropole auszustrecken oder möchten Sie mehr Details für Ihren persönlichen Einzelfall klären? Dann stehen wir Ihnen gern für eine persönliche Beratung zur Verfügung! 

Kontaktdaten und Links:

Stefan Schmierer

Homepage: www.rs-lawyers.com.hk

E-Mail: sschmierer@rs-lawyers.com.hk

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Timestamps

00:00:23 Begrüßung, Einleitung und Vorstellung Stefan Schmierer

00:05:52 Wie sieht das Leben und Arbeiten in Hongkong aus?

00:09:40 Wie ist die derzeitige Situation für ausländische Unternehmen in Hongkong?

00:12:25 Die Vorteile von Hongkong für Unternehmen

00:17:14 Banken - Ist die Kontoeröffnung in Hongkong einfach oder schwierig?

00:18:49 Welche Position nimmt Hongkong zum Thema Kryptowährungen ein?

00:20:28 Wie einfach oder schwierig ist der Aufbau eines Mitarbeiterstamms in Hongkong?

00:23:10 Der Fortbestand der Unabhängigkeit Hongkongs

00:26:30 Ist der Hongkonger Markt für Unternehmen interessant?

00:28:00 Ist Hongkong steuerlich attraktiv?

00:29:32 Die Hongkonger Start-up-Szene

00:31:53 Die Gehaltskosten in Hongkong

00:34:22 Die Schulgebühren in Hongkong

00:34:57 Wie kooperativ sind die Behörden?

00:37:41 Wie sind das Gesundheitssystem und die Kosten dafür in Hongkong? 

00:40:01 Sind die Folgen der Corona-Pandemie in Hongkong wirtschaftlich zu spüren?

00:46:44 Aktuelle Diskussionen um das Finanzsystem SWIFT

00:49:26 Singapur oder Hongkong als Standortvorteil?

00:52:22 Zum Schluss: 4 Fragen zu Hongkong

00:53:46 Kontaktdaten Stefan Schmierer

Mitschrift zum Podcast Perspektive Ausland Episode 49: Hongkong - das Tor zu China und Südostasien

Zu Gast: Stefan Schmierer

Perspektive Ausland - Der Podcast für Unternehmer und Freiberufler, die es ins Ausland zieht, egal ob Steuerplanung, Auslandsfirmengründung oder Lifestyle-Fragen, hier geht es jede Woche zur Sache. Und hier sind deine Gastgeber Daniel Tàborek und Sebastian Sauerborn.

00:00:23 Begrüßung, Einleitung und Vorstellung Stefan Schmierer

Daniel: Heute sprechen wir über Hongkong. Hongkong ist ja nun ein ganz besonderer Standort, über den wir heute sprechen. Es wurde 1997 die Verwaltungshoheit an China übertragen und bis heute ist Hongkong noch eine chinesische Sonderverwaltungszone, allerdings mit sogenannter freier Marktwirtschaft oder teilweise erhalten gebliebener Autonomie. So liest man es zumindest. Vom Ranking her war Hongkong lange Zeit, zumindest bei einigen Ranking-Gesellschaften, auf Platz 1 der freien Wirtschafts-Standorte und ist ganz schön nach unten gerast, bei einigen. Ich habe es jetzt auch gerade wieder gelesen, auf Platz 107 zum Beispiel. Es wurde prophezeit, dass eine ganze Menge Unternehmen Hongkong verlassen würden. Bisher ist es, zumindest soweit ich das sehen kann, gar nicht dazu gekommen, aber darüber wollen wir heute vielleicht auch ein bisschen mehr hören. Vereinzelte Unternehmen sind vielleicht aus Hongkong weg gegangen, andere sind neu nach Hongkong gekommen, auch das. Und oftmals ist es ja so, dass sich das Bild in den Medien von der Realität unterscheidet. Wie es wirklich ist und welche Chancen und Begehrlichkeiten der Standort heute noch hat, das wollen wir heute mal mit einem Experten besprechen, der den Standort, das Land sehr gut kennt und selbst dort lebt, schon eine ganze Weile. Aber wir wollen Ihnen jetzt gerne die Möglichkeit geben, Herr Stefan Schmierer, stellen Sie sich und Ihre Kanzlei einmal selbst unseren Zuhörern und Zuschauern vor?

Stefan: Ja, vielen Dank für die Übergabe. Grüß Gott und Hallo, von wo immer Sie uns zuschauen! Mein Name ist Stefan Schmierer, ich wohne und lebe seit 2009 in Hongkong. Ich bin ursprünglich aus Stuttgart und habe dort mal eine Banklehre absolviert. Ich bin zugelassener Anwalt in Deutschland. Seit 2017 bin ich auch in Hongkong vor dem High Court als Solicitor zugelassen. Seit ich nach Hongkong gekommen bin, 2009, betreue ich hier bei verschiedenen Kanzleien, zuerst bei einer deutschen Kanzlei, dann einer lokalen Kanzlei, jetzt bei uns in der eigenen Kanzlei, den sogenannten German Desk. Das heißt, die meisten meiner Mandanten sind Unternehmer, der gehobene deutsche Mittelstand, die Hidden Champions, wie wir es aus deutschsprachigen Ländern kennen, aus Deutschland, der Schweiz, Österreich, die wir hier in Hongkong und so weit als möglich auch in Mainland China vollumfänglich betreuen. Das heißt, das meiste ist Gesellschaftsrecht, Handelsrecht, in dem wir hier beraten, lokales internationales Steuerrecht, aber auch allgemeines Vertragsrecht, Arbeitsrecht. Markenregistrierungen beginnen für unsere Mandanten auch vor Gericht. Hongkong ist ein internationales Arbitration Center. Das heißt, wir führen auch Arbitration-Verhandlungen für unsere Mandanten durch etc. 2020 habe ich meine eigene Kanzlei gegründet, das heißt neben dem German Desk, den ich gerade beschrieben habe, haben wir noch 7 bis 8 andere Anwälte hier vor Ort. Ein Kollege aus England ist dabei, der nebenher auch Notar und Notariat leitet, eine Kollegin, die sich hauptsächlich um Litigation und Arbitration kümmert und noch 2 bis 3 Associates, die mich mit meinem German Desk beziehungsweise die restlichen Partner unterstützen.

Daniel: Klasse! Vielen Dank, das war eine gute Vorstellung. Jetzt vielleicht eine Frage am Anfang, die mich jetzt auch persönlich interessiert: Wie hat sie es denn eigentlich nach Hongkong verschlagen? Ich reizt Sie denn selbst an dem Land? Was hat sie dahin geführt?

Stefan: Das ist eine gute Frage, die mir schon oft gestellt wurde und ehrlich gesagt, weiß ich es auch nicht so wirklich. Ich habe, nachdem ich in Deutschland als Anwalt zugelassen wurde und dort in einer größeren deutschen Kanzlei in Corporate Departments angefangen habe zu arbeiten, kurz darauf eine Stellenanzeige gesehen. Geheißen hat es: Wir suchen einen Anwalt für Asien mit 5 Jahren Berufserfahrung und 3 Jahren Erfahrungen im internationalen Steuerrecht. Da habe ich gedacht, das habe ich beides nicht, aber ich bewerbe mich einfach mal bei denen und am Tag danach hat mich dann jemand angerufen und hat mich gefragt, ob ich für die Kanzlei anfangen möchte, in Hongkong oder in Bangkok. Da ich schon ein bisschen China-belastet war durch mein Studium in den USA, wo ich viel mit Chinesen zusammen gearbeitet hab, habe ich mich einfach aus dem Stehgreif für Hongkong entschieden und bin dann Ende 2009 mit einem Köfferchen nach Hongkong geflogen und so hat hier alles angefangen. Ich wollte dann, so wie viele hier in Hongkong, 2 bis 3 Jahre bleiben, ein bisschen Berufserfahrung schnuppern, dann wieder zurück nach Deutschland. Es ist nicht allzu viel daraus geworden. 2013 habe ich meine Frau geheiratet, die hier aus Hongkong kommt. 2015 kam die Tochter zur Welt und damit war dann schlussendlich die Entscheidung getroffen, noch ein bisschen die Schulbank zu drücken und hier meine deutsche Zulassung in eine lokale Zulassung zum Hongkong Solicitor zu switchen.

00:05:52 Wie sieht das Leben und Arbeiten in Hongkong aus?

Daniel: Schöne Geschichte! Sie leben jetzt also doch schon relativ lange in Hongkong. Können Sie vielleicht mal zusammenfassen, wie man sich das Leben in Hongkong vorstellen kann, im Vergleich zu anderen Ländern - Sie sagten, Sie waren auch eine Zeit lang in den USA? Wie kann man sich also das Leben in Hongkong vorstellen?

Stefan: Das Büro beruht darauf, dass zum einen natürlich die chinesische Seite sehr stark vertreten ist, einfach durch die Nähe zum Mainland China, durch die vielen Flüchtlinge, die in den 60er, 70er Jahren im Zuge der Kulturrevolution vom Mainland China nach Hongkong gekommen sind. Auf der anderen Seite ist ganz klar noch der westliche Einfluss, der englische Einfluss vorhanden, das heißt hier trifft West auf Ost, auch wenn es ein bisschen pauschal oder abgedroschen anhört, aber so ist das in Hongkong. Viele nennen das "China light". Jemand, der noch nie in China oder in Asien war, der kann in Hongkong mal reinschnuppern, ob es ihm überhaupt passt. Das heißt, sie können auf der einen Seite hier in der westlichen Gemeinschaft leben, ohne wirklich mit chinesischen Traditionen in Kontakt zu kommen. Auf der anderen Seite, wenn Sie sagen: “Ich bin wirklich China-affin, ich will mir das mal angucken, ohne nach China zu reisen”, dann können Sie hier auch jeden Tag für 3 € an der Ecke Ihre chinesische Nudelsuppe schlürfen oder zum Dim Sum gehen. Hongkong ist ein super Platz, um mal auszuprobieren, ob es jemandem persönlich in China gefällt.

Sebastian: Und man kennt es ja von den Bildern, also Hongkong, soweit ich es verstanden habe, ist ein Stadtstaat, oder? Es gibt diese gigantischen Hochhäuser, diese Apartmenthäuser und Bürogebäude. Es sieht alles relativ eng aus. Soweit ich das weiß, ist es tropisches Klima, das heißt sehr heiß, sehr schwül, sehr feucht. Ist das so korrekt? Ist das im Grunde ein Play-Stayer, der immer total busy ist, wo immer was los ist? Wie muss man sich das vorstellen?

Stefan: Nein, das ist nicht so. Das ist die falsche Impression, die Touristen oder Geschäftsleute oder Leute, die noch nie in Hongkong waren, von Hongkong haben. Tatsache ist, Hongkong Island, das Business District, ist sehr eng bevölkert, eines der bevölkerungsreichsten Gebiete der Erde. Allerdings, was niemand weiß oder was sich noch nicht so rumgesprochen hat, ist, dass nur ungefähr 20% der Fläche von Hongkong besiedelt sind. Der Rest sind Naturparks, wo es verboten ist zu bauen. Das sind alles schöne Berge. Das heißt, Sie können hier toll wandern in Hongkong. Trail Running ist ein Sport, der wurde in Hongkong sehr stark gepusht, über ganz Asien hinweg. Wenn es Ihnen im Sommer wegen dem Klima zu heiß ist, um zu wandern, dann gehen Sie einfach an den Strand. Hongkong hat eine Vielzahl von Stränden, zu denen Sie innerhalb von einer halben Stunde von der Central mit dem Boot rausfahren können und dann Ihren Sonntagnachmittag an der Strandkneipe verbringen können. Also das ist die Impression, die vielen Touristen fehlt.

Sebastian: Wie groß ist Hongkong ungefähr im Vergleich zu einer anderen Metropole wie London, München, Berlin? Wie muss man sich das vorstellen?

Stefan: Es hat ungefähr die Größe von London, aber die Bevölkerung oder die Besiedlung schrumpft wesentlich zusammen, wie gesagt 20% von Hongkong sind die Bevölkerung. In Hongkong wird anstatt in die Fläche nach oben gebaut.

00:09:40 Wie ist die derzeitige Situation für ausländische Unternehmen in Hongkong?

Daniel: In Bezug auf Business und Unternehmen: Wie ist denn aktuell aus Ihrer Einschätzung die Situation für ausländische Unternehmen in Hongkong?

Stefan: Die Situation für ausländische Unternehmen ist danach zu unterscheiden, ob das ausländische Unternehmen in Hongkong an sich Geschäfte machen möchte oder ob es um eine Tochter in Hongkong geht, die am Standort für den chinesischen Markt genutzt wird oder genutzt werden soll. Wenn das der Fall ist, dann tut man sich hier zurzeit mit Sicherheit schwer, weil China nach wie vor komplett abgeriegelt ist. Wir haben hier Mandanten in Hongkong und auch in Deutschland, die Fabriken in Shenzhen, in Guangzhou, in Südchina bis hoch nach Shanghai haben. Die haben ihre Fabriken und ihre Mitarbeiter dort seit 2 bis 3 Jahren nicht mehr gesehen, nicht mehr besucht und das wirft erhebliche Probleme auf, mit denen wir hier täglich zu kämpfen haben.

Sebastian: Ist Hongkong auch abgeriegelt oder sind dort die COVID-Beschränkungen geringer als in China?

Stefan: Hongkong war die letzten 2 bis 3 Jahre relativ abgeriegelt, bis Anfang Mai. Als Ausländer durfte man überhaupt nicht nach Hongkong reisen. Hongkongs Einwohner durften wieder nach Hongkong zurück, mussten aber 3 Wochen in die Hotel-Quarantäne. Das wurde dann heruntergestuft bis auf 7 Tage. Derzeit ist der Stand so, dass Sie immer noch 7 Tage in ein sogenanntes Quarantäne-Hotel müssen, das Sie allerdings selber aussuchen können. Das heißt, wenn Sie es sich leisten können, können Sie ihre 7 Tage Quarantäne auch in der 200-Quadratmeter-Suite absetzen.

Daniel: Das war aber vorher anders? Vor COVID konnte man ohne Probleme zwischen Festland, China und Hongkong hin und her reisen? Wenn ich also zum Beispiel damals meine Fabrik hätte besuchen wollen, dann hätte ich mich ins Flugzeug gesetzt - oder wie lief das früher?

Stefan: Richtig, Sie brauchten und brauchen immer noch ein Visum, um von Hongkong nach China einzureisen. Aber das war Standard. Sind Sie als Tourist gekommen, hatten Sie das Visum innerhalb von ein paar Tagen. Die ganzen ausländischen Geschäftsleute hier in Hongkong, die haben ein Jahres-Visum für China, das ist Standard. Das ist einmal im Jahr zu verlängern. Damit waren Sie mit dem Schnellzug in einer Dreiviertelstunde in Ihrer Fabrik. Aber für Hongkong ist kein Visum notwendig für Besucher.

00:12:25 Die Vorteile von Hongkong für Unternehmen

Daniel: Was sind denn aus Ihrer Sicht heute im Jahr 2022 die Vorteile eines Firmen-Sitzes in Hongkong? Was sind so für typische Kunden, bei denen Sie sagen: Für die lohnt es sich heute immer noch, nach Hongkong zu kommen, Unternehmen zu gründen, eine Gesellschaft zu gründen, von dort aus Geschäfte zu führen?

Stefan: Der Hauptvorteil ist mit Sicherheit die Nähe zu China. Wir rechnen damit, dass Ende Oktober nach dem großen Parteitag in Peking die Grenze wieder schrittweise aufgehen wird. Dann ist es einfach, wenn Sie sich den chinesischen Markt erarbeiten möchten, wenn Sie Ihre Produkte dort verkaufen möchten. Wenn Sie dort produzieren, wenn Sie dort ihre Fabriken haben, ist es unerlässlich, nahe am Markt zu sein. Das können Sie nicht von Singapur, Japan oder Korea aus. Der nächste Vorteil ist natürlich die Sprache. Zwischen China und Hongkong gibt es keine Sprachbarriere, das heißt, die Kollegen in Hongkong können problemlos mit den Kollegen in China kommunizieren. Der nächste Vorteil ist mit Sicherheit das Bankensystem hier in Hongkong. Sie bekommen hier als Kunde von einer Bank ein sogenanntes Multi-Currency-Account. Das heißt, wenn Sie auf Ihr Konto hier Euros überwiesen bekommen, werden die als Euro eingebucht, in das Euro-Unterkonto. Wenn der chinesische Käufer RMB auf Ihr Konto überweist, dann würde das in RMB eingebucht. Da können Sie es den Chinesen ganz einfach machen und sagen: "Zahl doch, wie du willst." Und das ist mit Sicherheit auch ein ganz großer Fortschritt.

Sebastian: Der Unternehmer, der jetzt in China zum Beispiel eine Fabrik hat oder dort eine Fabrik aufbauen möchte, warum würde der den Weg über Hongkong gehen? Der könnte ja auch sagen "Ich ziehe nach Peking" oder "Ich etabliere mich oder mein Unternehmen, meine Niederlassungen direkt in China". Wo wäre jetzt der Vorteil, hier den Zwischenschritt über Hongkong zu machen? Gibt es steuerliche Vorteile, ist es kulturell einfacher, einfacher hier Business zu machen? Was sind denn Gründe, über Hongkong zu gehen?

Stefan: Das, was Sie angesprochen haben, passiert auch. Es gibt Unternehmer, die gründen ihre Firma inzwischen direkt in China, weil sie eben sagen, der Umweg über Hongkong, der kostet uns zu viel, das möchten wir nicht mehr machen. Auf der anderen Seite gibt es das Projekt, das hier seit 20 bis 30 Jahren gefahren wurde von den ausländischen Unternehmen. Das besteht darin, einfach auch eine kleine Holding für China zu gründen und unter dieser Holding die chinesische Einheit gründen. Die Vorteile sind, ich fange mal mit Hongkong an: Eine Firmengründung in Hongkong dauert 7 Tage, kostet 2.000 bis 3000 €. Firmengründungen in China dauern immer noch ein halbes Jahr und kosten Sie 15.000 €. Das heißt, Sie können im Kleinen in Hongkong anfangen und können sich mit Ihren Geschäftspartnern in China treffen. Sie können vielleicht mal einen Agenten anstellen in China, der das ein bisschen sondiert. Das geht einfach schneller und ist billiger. Punkt 2 ist mit Sicherheit die Risiko-Abschirmung. Wenn Ihre deutsche Gesellschaft zur Gesellschafterin der chinesischen Tochtergesellschaft wird, kann es sein, dass unternehmerische Risiken in China direkt auf ihre Muttergesellschaft in Deutschland durchschlagen. Ist nicht üblich, kam aber vor und kann vorkommen. Wenn Sie aber hier Ihre Hongkong-Gesellschaft dazwischenschalten, haben sie natürlich eine Risikoabschirmung gegenüber Ihrer deutschen GmbH. Punkt 3 sind steuerliche Vorteile. Sie können die Gewinne in Hongkong unter Umständen hier als offshore deklarieren mit dem Steuersatz von 0%. Das können wir nachher vielleicht noch besprechen. Und, Dividenden sind hier in Hongkong nicht steuerpflichtig, nicht, wenn man sie hier hält, und nicht, wenn man sie ausschüttet. Das heißt, Sie können die Gewinne, die Sie in China erwirtschaftet haben nach Hongkong ausschütten und erstmal hier in Hongkong parken und dann entweder investieren oder hier in Hongkong thesaurieren oder irgendwann mal nach Deutschland nach oben ausschütten. Nächster Vorteil: Sie können Ihre Hongkong-Gesellschaft nicht nur als Mutter für China nutzen, sondern sie können das als Asien Zentrum, als Region Office nutzen und noch eine Tochtergesellschaft in Vietnam oder den Philippinen drunter hängen etc. Dann können Sie den Multi-Currency-Account nutzen für die verschiedenen Währungen zwischen den verschiedenen Ländern.

00:17:14 Banken - Ist die Kontoeröffnung in Hongkong einfach oder schwierig?

Daniel: Hinsichtlich der Banken: Wie verhalten die sich denn, wenn ich jetzt nach Hongkong komme und eine neue Gesellschaft gründe? Ist es einfach oder schwierig, ein Konto für eine neu gegründete Gesellschaft zu eröffnen?

Stefan: Nein, es ist nicht einfach. Es ist aber zurzeit einfacher als zum Beispiel in Singapur oder in Dubai. Wir eröffnen zurzeit Konten für ausländische Gesellschaften, ohne dass der Geschäftsführer persönlich hier in Hongkong ist. Das ist bei vielen Banken aber Voraussetzungen, dass der Geschäftsführer persönlich vorbeikommt. In Singapur muss es so sein, in Dubai ist es noch viel schrecklicher, auch wenn man es nicht glauben mag. Es gibt aber hier in Hongkong Banken, bei denen man diese Voraussetzung umgehen kann, auch wenn sie zum Beispiel in Deutschland mit einer Bank banken, die in Hongkong eine Niederlassung hat, zum Beispiel die Erste Bank in Österreich, die Deutsche Bank oder BNP Paribas. Dann können Sie da relativ schnell und einfach ein Konto bei der lokalen Niederlassung für Ihre Tochtergesellschaft gründen. Also es ist nicht so schlimm, wie man immer hört. Wir bekommen immer noch Konten für unsere Mandanten.

00:18:49 Welche Position nimmt Hongkong zum Thema Kryptowährungen ein?

Daniel: Weil wir gerade beim Thema Banking sind, kommen wir zur Kryptowährung. China ist ja zur Kryptowährung sehr negativ eingestellt. Wie erleben Sie das in Hongkong zurzeit, wenn jemand mit Kryptowährungen bezahlen will? Sind das Mining, das Staking, Zahlungstansfers mit Krypto erlaubt oder nicht erlaubt?

Stefan: Ist erlaubt. Hongkong ist da aufgeschlossen. Es war bis vor ein paar Jahren mehr oder weniger überhaupt nicht reguliert ist. Es wird jetzt versucht, das mehr und mehr zu regulieren durch die Börsenaufsichtsbehörde. Das Problem, das wir hier bezüglich Kryptowährungen haben, ist, dass wir 2 Aufsichtsbehörden haben, eine für die Börse, eine für die Banken und die wissen nicht so recht, wie sie miteinander umgehen sollen. Also entweder sind dann beide gleichzeitig zuständig oder keine fühlt sich zuständig. Das ist eigentlich das Hauptproblem, das wir zurzeit mit Kryptowährungen haben. Aber wir haben Mandanten, die unterhalten diese Kryptobörsen. Wir haben Mandanten, die handeln mit Kryptowährungen etc. Da ist Hongkong im Vergleich zu anderen Ländern, auch inklusive Europa, immer noch aufgeschlossen.

Daniel: Und die Besteuerung von Krypto-Einkünften?

Stefan: Das folgt der normalen Besteuerung.

00:20:28 Wie einfach oder schwierig ist der Aufbau eines Mitarbeiterstamms in Hongkong?

Sebastian: Jetzt haben Sie ja gerade verschiedene Szenarien beschrieben, bei denen eine Präsenz in Hongkong Sinn macht für ein ausländisches Unternehmen: Sicherlich sind der chinesische Markt, der asiatische Markt oder auch der globale Markt Gründe, um eine Holding oder ein Head Office zu etablieren. Wie einfach oder schwierig ist es denn, in Hongkong zum Beispiel ein kleines Team aufzubauen, qualifiziertes Personal zu finden oder auch Mitarbeiter von Europa zu transferieren und dort eine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen? Ist so etwas machbar oder muss man sich das alles sehr kompliziert vorstellen?

Stefan: Ich fange mal mit dem administrativen Teil an: Arbeitsgenehmigungen beantragen und bekommen wir regelmäßig für unsere Mandanten. Dies dauert ungefähr 10 Wochen, wenn die Firma noch nie ein Arbeitsvisum beantragt hat. Hat die Firma schon Records bei der Einwanderungsbehörde, dann reduziert sie das auf 4 bis 6 Wochen, das war schon immer so. Das hat sich auch nicht geändert. Die Einwanderungsbehörde ist relativ flexibel, auch wenn es um Visumsverlängerungen geht, bei denen man eigentlich sagt, der Mitarbeiter muss vor Ort sein, wenn der Antrag eingereicht wird. Das wurde jetzt alles aufgeweicht. Auch im Hinblick darauf, dass viele Mitarbeiter innerhalb der letzten 2 Jahre nicht nach Hongkong kommen konnten. Mitarbeiter zu finden in Hongkong war eigentlich immer relativ einfach, weil Hongkong einfach einen sehr guten Ruf hatte. Vor allem für Mitarbeiter, die hier schon mal im Urlaub waren, die vielleicht früher mal ein Praktikum gemacht hatten, etc. Ob Hongkong da jetzt einen Schlag abbekommen hat durch die letzten 2 Jahre und durch das, was in Shanghai in den letzten 6 Wochen passiert ist, muss man abwarten. Allerdings auf der anderen Seite das, was in Shanghai passiert ist, hat Hongkong wiederum in die Karten gespielt, weil Mitarbeiter, die sagen, nach Shanghai gehe ich mit Sicherheit nicht, das könnte jederzeit wieder passieren, die möchten vielleicht deshalb lieber nach Hongkong. Es bleibt abzuwarten, wie sich das entwickelt. Das Problem, das viele Mandanten haben, ist nicht die Frage: "Schicke ich jetzt jemanden nach Hongkong, ja oder nein?" sondern die Frage: "Wer geht nach Hongkong?". Die älteren Mitarbeiter, die der Mandant gerne nach Hongkong schicken würde, weil sie schon 15 bis 20 Jahre im Unternehmen sind und wissen, wie man Abteilungen aufbaut und managt, die haben eine Ehefrau, die haben 2 Kinder, die sind in Deutschland in der Schule. Das wird verdammt teuer, die nach Hongkong zu senden. Die jüngeren Mitarbeiter mit 2 bis 3 Jahre Berufserfahrungen, die wollen nach Hongkong, die sind familiär ungebunden. Sie können es aber noch nicht, das ist meistens das größte Problem bei den Mandanten.

00:23:10 Der Fortbestand der Unabhängigkeit Hongkongs

Sebastian: Es wäre jetzt völlig unabhängig von Hongkong für jeden an exotischen Standorten natürlich ein Problem. Sie haben jetzt in Ihren Schilderungen immer ganz klar die Unterschiede zwischen Hongkong und China hervorgehoben und gesagt, dass es im Grunde zwar irgendwie zusammenhängt, aber dass es im Falle von Hongkong doch eine gewisse Entscheidungsfreiheit und Unabhängigkeit gibt. Sehen Sie das bedroht? Wir haben ja schon mehrfach gesehen, dass China hier mehr oder weniger versucht, Macht und Einfluss auszuüben. Ob das jetzt richtig ist oder nicht, sei mal dahingestellt, aber sehen Sie das bedroht, dass Hongkong letztlich seine eigenen Regeln bestimmen kann und dass das weiterhin Business-freundlich gegenüber dem Westen bleibt oder muss man davon ausgehen, dass es irgendwann einfach eine andere chinesische Start ist, wie zum Beispiel Shanghai oder Peking.

Stefan: Da müssen Sie meiner Ansicht nach ganz klar den politischen Teil vom wirtschaftlichen Teil unterscheiden. Aus politischer Sicht ist Hongkong eine chinesische Stadt und gehört zu China. Da gibt es nichts dran zu rütteln. Wenn man sieht, wie viele Bankfilialen und Bahnstationen hier vor 2 bis 3 Jahren in Brand gingen und wie viele Molotowcocktails geflogen sind! Das hätte sich kein anderer Staat der Welt erlauben lassen. Von daher war absehbar, dass das Mainland China, die Regierung in Peking, Hongkong näher an die Kandare nimmt und mehr Kontrolle auf politischer Ebene ausübt, als es bis vor 4 Jahren noch der Fall war. Auf der anderen Seite hat sich wirtschaftlich, ehrlich gesagt, gar nichts geändert. Hongkong ist ein viel zu wichtiger Standort für Mainland China, als dass sich China hier ins Knie schießen würde und sich Hongkong einverleiben würde, aus wirtschaftlicher Sicht. Aus chinesischer Sicht ist Hongkong nichts anderes als eine riesengroße Geldwaschmaschine, wo chinesische Investoren in Hongkong an die Börse gehen, um ausländisches Kapital zu finden. Aber auch ausländische Investoren gehen in Hongkong an die Börse, um chinesisches Kapital zu finden und dieser Standortvorteil, den Hongkong hat, der ist für China so wichtig, dass sie das mit großer Sicherheit in den nächsten Jahren nicht anrühren werden. Und es kam hier schon die Aussage vom Premierminister, das 2-Systeme-System werde auch über 2049 hinaus beibehalten werden.

Sebastian: Interessant! Das deckt sich ja im Grunde mit dem Eindruck von außen. Es ist ja offiziell Kommunismus in China, aber wenn man sich das Geldsystem anschaut, dann ist das ja eher Turbo-Kapitalismus. In vielerlei Hinsicht ein noch viel reinerer Kapitalismus als im Westen. In der Hinsicht muss man sich wahrscheinlich sowieso keine Sorgen machen, aber es bleibt eben immer eine Frage offen. Wir haben jetzt ja erst wieder gehört, was da in China mit den Uiguren passiert und man würde sich die Frage stellen, was passiert, wenn man Business in Hongkong macht? Muss ich da möglicherweise mit ähnlichen Restriktionen rechnen? Das wäre wahrscheinlich schon eine Sorge.

00:26:30 Ist der Hongkonger Markt für Unternehmen interessant?

Daniel: Gibt es denn eigentlich auch Unternehmen, die in erster Linie wegen dem Markt in Hongkong nach Hongkong kommen? Wir haben jetzt immer über Unternehmen gesprochen, die auf den chinesischen Markt abzielen. Aber gibt es auch Chancen für Unternehmer, Begehrlichkeiten für den reinen Markt nur in Hongkong? Würden Sie zu einer bestimmten Branche sagen: "Kommt nach Hongkong!"?

Stefan: Ja, Hongkong ist ein relativ kleiner Markt mit 7 Mio. Einwohnern. Shenzhen hat 14 Mio. Einwohner, einfach mal um die Verhältnisse zu verdeutlichen. Aber Hongkong hat eine ungeheure große Kaufkraft, die ungefähr der Kaufkraft der Schweiz entspricht. Das heißt, wenn Sie hier ein Produkt haben, dass die Hongkonger sexy finden, dann würden die Hongkong mit Sicherheit viel Geld dafür ausgeben. Ein Beispiel sind Medizinprodukte. Es wird hier sehr viel Geld ausgegeben für Krankenhäuser, für Medizinprodukte, in Krankenhäusern für die Medizin-Versorgung. Viele Mandanten versuchen, Nahrungsergänzungsmittel hier in Hongkong für viel Geld zu vertreiben. Die Fitness-Branche ist sehr groß in Hongkong, gerade durch das Trail-Running, was ich zu Beginn beschrieben habe. Das heißt, wenn Sie ein Produkt haben, das relativ hochwertig und hochpreisig ist, dann kann Hongkong ein sehr interessanter Markt für Sie sein.

00:28:00 Ist Hongkong steuerlich attraktiv?

Daniel: Und ist es denn auch steuerlich attraktiv? Vielleicht können Sie mal ganz kurz den Rahmen für die steuerlichen Bedingungen vorgeben? Wenn ich nach Hongkong gehe und dort Business betreibe, was kommt auf mich zu?

Stefan: Ja, das ist ganz einfach. Die ersten 200.000€ Gewinn werden mit ungefähr 8% versteuert. Alles darüber hinaus mit ungefähr 16%. Das ist nicht super günstig. In Irland bekommen Sie das wahrscheinlich günstiger und billiger, aber es hält sich doch relativ im unteren Drittel. Interessant ist, was es nicht gibt. Es gibt keine Mehrwertsteuer, es gibt keine Steuer auf Dividenden, es gibt keine Steuer auf Zinsen etc. Die Einkommensteuer bewegt sich zwischen 2 % und 17%. Das ist auch einer der Gründe, warum viele Hongkonger einfach so viel Geld in der Tasche haben und das ausgeben möchten.

Daniel: Klingt interessant! Und wird bei jemandem, der in Hongkong lebt, das Welteinkommen besteuert, also Auslandseinkünfte, oder nur das lokale Einkommen?

Stefan: Nein, es gibt kein Welteinkommensprinzip. Das heißt, sowohl Unternehmen als auch Einwohner versteuern das, was in Hongkong erwirtschaftet wird.

Daniel: Also Auslands-Einkommen kann ich steuerfrei vereinnahmen, wenn ich in Hongkong lebe?

Stefan: Das ist das sogenannte Offshore-Prinzip, ja. Das heißt, die Hongkonger Gesellschaft, die Gewinne außerhalb von Hongkong erwirtschaftet, hat diese in Hongkong mit 0% zu versteuern.

Daniel: Interessant.

00:29:32 Die Hongkonger Start-up-Szene

Sebastian: Man kennt ja nun von Singapur, dass Singapur auch eine globale, international sehr agile Start-up-Szene hat. Viele Start-ups, gerade im Fintech-Bereich, werden spezifisch in Singapur gegründet. Die haben jetzt nicht unbedingt nur den Markt in Singapur im Sinn, sondern sind als globale Unternehmen und als globale Startups aufgestellt. Ist das in Hongkong genauso? Lohnt es sich für ein Startup in einem bestimmten Bereich, zum Beispiel Fintech, zu sagen, Hongkong ist eigentlich eine gute Basis, um hier solch ein Unternehmen aufzubauen, was weder den chinesischen Markt per se noch den Markt in Hongkong bearbeiten wird, sondern tatsächlich global aufgestellt ist? Macht das Sinn in Hongkong? Gibt es dort eine Start-up-Szene? Wie muss ich mir das vorstellen?

Stefan: Es gibt eine Start-up-Szene. Es gibt auch eine starke österreichische und deutsche Start-up-Szene. Da arbeite ich eng mit der deutschen und der österreichischen Handelskammer. zusammen, aber es werden immer wieder Pitches durchgeführt, wo 8 bis 10 Start-ups für ein paar Tage nach Hongkong kommen. Früher ist man auch noch nach Shenzhen rübergefahren. Das Ziel ist einfach, interessierte Co-Investoren zu finden und was sie in Hongkong haben, sind die relativ großen Family Offices, die Funds haben, die ihr Geld in Trusts investiert haben und die gezielt nach europäischen Start-ups suchen, die ein interessantes, sexy Produkt haben. Und nicht nur Fintech, sondern auch Medizinprodukte etc.

Sebastian: Und die würden sich dann auch in Hongkong etablieren, diese Start-ups? Oder sind es im Grunde europäische Start-ups, die dann letztlich nur Geld raisen wollten in Hongkong?

Stefan: Sowohl als auch. Ich hatte ich hier schon Startups, die haben hier in Hongkong Joint Ventures gegründet, aber ich hatte jetzt letzte Woche auch Mandanten aus Ostdeutschland hier, die haben einen Investor gesucht und der hat direkt in die deutsche GmbH investiert, allerdings da in in Form von einem Convertible Bond, das dann später in Anteile von einer Hongkonger Tochtergesellschaft umgewandelt werden kann.

00:31:53 Die Gehaltskosten in Hongkong

Daniel: Interessant! Sebastian Sauerborn hatte ja schon einmal das Thema angeschnitten, ob es einfach ist, Personal zu finden, wenn ich ein Unternehmen in Hongkong gründe. Sie hatten gesagt, es ist kein Problem, man bekommt das Personal. Wenn man die Kosten anschaut, ist dabei Hongkong günstiger oder teurer als Deutschland? Ich kenne mich ungefähr aus mit den Mindestlöhnen in China. Die sind ja doch relativ niedrig, wobei sie auch schon kräftig gestiegen sind. Die Zahlen liegen wohl jetzt je nach Standort ganz grob gesehen zwischen 140 bis 350 Dollar beim Mindestlohn in China-Festland. Das ist kräftig nach oben gegangen in den letzten Jahren. Vermutlich sind auch in Hongkong die Personalkosten kräftig nach oben gegangen. Ist das so?

Stefan: Die Gehaltskosten sind sehr hoch und entsprechen ungefähr der Schweiz. Das liegt einfach daran, dass Hongkong eine teure Stadt ist. Die Mieten sind sehr hoch, die medizinische Versorgung ist teuer, wenn Sie in die privaten Krankenhäuser gehen, Kinder in den Kindergarten oder in die Schule zu schicken, kostet Geld. Von daher sind die Gehälter an sich sehr hoch. Die Nebenkosten sind allerdings sehr gering. Was wir nicht haben, ist eine Unfallversicherung. Eine Rentenversicherung gibt es nur ganz begrenzt. Ich würde mal sagen, die Kosten für den Mitarbeiter entsprechen den Kosten in Deutschland, inklusive den Nebenkosten, Sozialabgaben etc. in Deutschland. Da ist das Gehalt, das Sie einem Mitarbeiter hier brutto von netto auszahlen, wesentlich höher als bei der gleichen Position in Deutschland.

Daniel: Wir haben also keinen Standortvorteil von den Kosten her.

Stefan: Es ist kein Standortvorteil. Ich würde eher sagen, ein Standortnachteil. Wir haben vorhin den Familienvater angesprochen, der mit seiner Ehefrau und 2 jungen Kindern nach Hongkong zieht. Der wird die Hand aufhalten und sagen: Ich muss mein Leben finanzieren, meine Ehefrau möchte auch von etwas leben und meine 2 Kinder gehen hier auf die internationale Schule. Das kostet 20.000€ im Monat. Wer zahlt denn das, mein lieber Arbeitgeber?" Und dann sind Sie schon bei wesentlich höheren Beträgen als in Deutschland.

00:34:22 Die Schulgebühren in Hongkong

Daniel: Den Betrag muss ich nochmal ganz kurz nachfragen, der ist für mich unvorstellbar hoch gewesen, hoffentlich ein Versprecher: Die Schule pro Monat kostet keine 20.000€?

Stefan: Das kommt auf die Anzahl der Kinder an. Sie sehen hier Schulgebühren von 3.000 bis 10.000 € pro Kind.

Daniel: Pro Monat?

Stefan: Ja.

Daniel: Das ist natürlich dann schon ein Wort, ja. Wir haben schon viele Podcasts gehabt und über das Thema Schulkosten gesprochen. Das ist mal ein ordentlicher Betrag!

00:34:57 Wie kooperativ sind die Behörden?

Sebastian: Während die Kosten ja vielleicht einen Standortnachteil sind, wie ist es denn mit der Kooperation, mit der Zusammenarbeit und Kommunikation mit den Behörden in Hongkong? Das ist ja doch ein wichtiger Punkt auch für Unternehmer, die im Ausland hier tätig werden wollen. Ist das umgänglich, kann man mit denen sprechen, sind die sehr drakonisch oder uneinsichtig? Wie muss man sich das zum Beispiel bei der Finanzverwaltung vorstellen?

Stefan: Es ist wesentlich angenehmer, mit den Behörden zusammenzuarbeiten als in Deutschland, um es mal so zu formulieren. Sie bekommen sowohl beim Finanzamt als auch bei der Einwanderungsbehörde oder bei anderen Regulatoren jemanden ans Telefon, der Ihnen in der Regel auch weiterhelfen kann und vor allem weiterhelfen will.

Sebastian: Und haben die genug Ressourcen in Hongkong? Wir kennen das aus manchen kleinen Ländern, mir fällt jetzt Malta ein, auch wenn Hongkong viel größer ist als Malta. Die haben in einer Abteilung, zum Beispiel in der man die Umsatzsteuer beantragt, 2 Mitarbeiter. Dann ist einer krank, der andere bekommt COVID, dann steht alles still. Ist es in Hongkong so, sodass sie die Ressourcen haben, auf solche Krisen zu reagieren?

Stefan: Ja. Hongkong bezahlt seine Beamten sehr gut, aus dem einfachen Grund, um Bestechung zu verhindern. Sie sehen hier Gehälter von 10.000 € aufwärts für Beamte der mittleren Ebene.

Daniel: Wie ist das mit der Sprache, zum Beispiel bei den Formularen? Ist Englisch auch weit verbreitet oder kann man ohne einen Dolmetscher überhaupt nichts erledigen? Muss ich mit einem Dolmetscher zu jedem Behördenbesuch gehen? Sprechen sie dort auch Englisch mit mir? Kann ich die Formulare lesen?

Stefan: Die Formulare sind bilingual, das ist überhaupt kein Problem und sämtliche Mitarbeiter der Behörden sprechen fließend Englisch. Ein bisschen schwerer ist das bei der Polizei, die ist nicht ganz so gut ausgebildet. Da nehme ich oft eine lokale Kollegin mit, wenn ich aufs Polizeirevier muss. Das macht es schneller und einfacher.

Daniel: Muss man oft aufs Polizeirevier, weil Sie das gerade so ansprechen?

Stefan: Wir haben viele von diesen Internet-Betrugsfällen, wo irgendwelchen Betrügern Hunderttausende von Euro überwiesen wurden, weil sich jemand unsterblich verliebt hat, etc. Da macht es Sinn, eine Zeugenaussage zu machen. Auch das geht inzwischen online. Das heißt, da sparen wir auch viel Zeit inzwischen.

00:37:41 Wie sind das Gesundheitssystem und die Kosten dafür in Hongkong?

Daniel: Wir haben jetzt viel über Familienangehörige gesprochen, die man mitnimmt, wenn man dort eine längere Zeit bleiben will und beruflich tätig sein möchte. Schule war schon ein Thema, da sind wir zusammen gezuckt, als wir die Kosten gehört haben. Zucke ich auch zusammen, wenn ich nach Kosten für die Gesundheitsfürsorge frage? Wie ist denn das mit dem Gesundheitssystem? Wie ist die Qualität? Fliege ich lieber nach Hause, wenn ich mich mal untersuchen lasse oder eine Operation ansteht? Gibt es dort alles und wie ist es mit den Kosten?

Stefan: Sie müssen hier trennen. Es gibt ein staatliches Gesundheitssystem mit staatlichen Krankenhäusern, die Kosten pro Besuch 10 €. Mit den 10 € können Sie bleiben, solange Sie wollen. Die staatlichen Krankenhäuser sind mit Sicherheit nicht schlecht. Viele Patienten mit schweren Krankheiten werden von den privaten Krankenhäusern an die staatlichen Krankenhäuser verwiesen, weil die staatlichen Krankenhäuser einfach besser ausgestattet sind. Auf der anderen Seite ist die Warteliste bei den staatlichen Krankenhäusern sehr lang. Ich kenne den Fall von einer älteren Dame. Die ist ins staatliche Krankenhaus gegangen, hat ihre 10 € gezahlt und dann sollte sie zum CT-Scan und der wurde dann auf 18 Monate später terminiert. Das ist dann wenig hilfreich.

Sebastian: Das ist ein wenig wie in UK mit dem NHS.

Stefan: Wahrscheinlich ja. Auf der anderen Seite gibt es die privaten Krankenhäuser. Die sind vielleicht von den Maschinen her nicht ganz so gut ausgestattet wie die staatlichen Krankenhäuser. Dafür kommen Sie immer dran. Die Kosten entsprechen aber ungefähr den Kosten, die Sie aus den USA kennen, also mehrere Hundert US-Dollar pro Tag. Das heißt, da brauchen Sie mit Sicherheit eine internationale Krankenversicherung, die Sie absichert und die der Arbeitgeber auch ganz klar für den Mitarbeiter übernehmen sollte.

Daniel: Okay, es ist erstaunlich und das hat man nicht in vielen Ländern, dass die staatlichen Krankenhäuser besser ausgestattet sind als die privaten.

Stefan: Sie müssen überlegen, dass Hongkong jedes Jahr einen Milliardeüberschuss an Steuereinnahmen hat, irgendwo muss die Kohle hin.

Daniel: Da ist sie gut aufgehoben.

00:40:01 Sind die Folgen der Corona-Pandemie in Hongkong wirtschaftlich zu spüren?

Daniel: Noch eine wichtige Frage, die uns interessiert: Momentan ist es ja so, dass man in vielen Ländern, auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz, bestimmte Auswirkungen der letzten 2 Jahre, dieser Pandemie-Situation, spürt und sieht. Ganz besonders eben, weil die Lieferketten gestürzt sind oder Produktionsprozesse gestürzt sind, auch jetzt wieder. Es gibt ja immer wieder neue Ereignisse, die dazu führen, dass noch mehr in die Problemzone hineingetrieben wird. Es gab manchmal Fotos selbst aus Deutschland, dass bestimmte Produkte nicht mehr erhältlich waren. Viele produzierende Betriebe klagen darüber, dass bestimmte Teile nicht mehr für die Just-in-time-Produktionen kommen. Für mich wäre interessant: Spürt man davon auch in Hongkong etwas?

Stefan: Relativ wenig, weil Hongkong so gut wie kein produzierendes Gewerbe hat. Hongkong ist einfach viel zu teuer. Was wir hier spüren, ist, dass ausländische Lebensmittel teurer werden, weil die Flugverbindungen nach Hongkong im Wege der Pandemie stark eingeschränkt wurden.

Daniel: Genau.

Stefan: Was interessant ist: In Deutschland, habe ich mitbekommen, werden Autos so teuer, weil es keine keine Chips mehr für die Autos gibt. In Hongkong ist das Gegenteil der Fall. Hier bekommen sie Gebrauchtautos nachgeschmissen, weil die ganzen Ausländer, ihre Autos loswerden müssen, weil sie zurück nach Europa möchten.

Sebastian: Da müsste mal ein findiger Brite auf die Idee kommen, die zu importieren! Das sind ja auch Rechtslenker in Hongkong oder? Die Preise für Gebrauchtwagen explodieren nämlich in Großbritannien. Gebrauchtwagen sind zum Teil teurer als neue. Das kann man sich nicht vorstellen!

00:41:44 Produktionsstandort China

Sebastian: Wie ist es denn mit diesem ganzen Modell Produktionsstandort China, die Werkbank der Welt etc.? Was Sie vorhin angesprochen hatten, war, dass manche Ihrer Mandanten seit 3 Jahren ihre Mitarbeiter nicht gesehen haben. Findet ein Umdenken statt, dass man sagt: "Das mit China ist eigentlich doch nicht so eine tolle Idee. Wir werden das jetzt alles wieder näher sourcen."? Wir haben mit einem Anwalt in der Türkei vor Kurzem gesprochen, der uns gesagt hat, es ist ein deutlicher Zuwachs von europäischen Unternehmen in der Türkei an Produktionsstätten zu verzeichnen, die lieber in der Türkei produzieren als in China. Bekommen Sie so etwas mit? Wird da ein bleibender Schaden entstehen in China und kratzt das die Chinesen oder machen sie einfach so weiter und es interessiert sie nicht, wie der Schaden sein könnte.

Stefan: Das ist ein Prozess, der schon seit ein paar Jahren läudt. Die Unternehmen merken, dass in China zu produzieren, nicht mehr billig ist. Das ist das, was Herr Tàborek vorhin gesagt hat. Kosten für Mitarbeiter, gerade hier in Südchina, sind um das 3- bis 4-Fache gestiegen in den letzten 5 oder 6 Jahren. Da habe ich schon Mandanten, die sagen, bevor ich in China für das Geld produziere - da habe ich Währungsschwankungen und keine Ahnung, was dazwischenkommt, dann ist der Container 6 Wochen auf dem Meer unterwegs oder kommt hier mit Sand statt Schuhen drin an - dann produziere ich doch lieber in der EU. Das ist ein bisschen teurer, aber ich habe das ganze Theater nicht mehr. Das hat sich schon vor ein paar Jahren angedeutet. Ich habe Mandanten, die verlagern ihre Produktion von China nach Vietnam oder von China nach Bangladesch und ich denke, das wird sich noch wesentlich verstärken. Was Shanghai sich geleistet hat in den letzten 6 bis 8 Wochen, das ist indiskutabel. Da bekommen sie keinen Mitarbeiter mehr nach Shanghai. Weder nach Shanghai noch sonst irgendwo hin nach China. Da werden meiner Ansicht nach die Unternehmen sehr schnell nachdenken, zumindest Teile der Produktion von China woanders hin zu verlagern, einfach um ein zweites Standbein zu haben. Ganz aus China raus geht auch nicht, dann sind die Chinesen wieder sauer und dann würden bei den Importen nach China die Zölle wieder auf 100 bis 150% hochgeschraubt. Es werden mit Sicherheit Fabriken in China verbleiben, die dann den lokalen Markt bedienen. Mit Sicherheit ist aber eine zweite oder dritte Fabrik in Bangladesch, Vietnam etc., die dann für Europa produziert ist, nicht falsch und das wird auch stattfinden, wesentlich schneller als das in den letzten 3 oder 4 Jahren passiert ist.

Sebastian: Der CEO von Apple hatte vor einigen Jahren, als er zum Thema befragt wurde, geantwortet, dass er nicht in China produziert wegen den geringeren Kosten, sondern weil es die Anzahl der qualifizierten Mitarbeitern, die er braucht, zum Beispiel um Milliarden von IPhones zu produzieren, nur in China gibt. Die können gar nicht in USA produzieren, weil da schlicht und ergreifend die Menge an Personen nicht vorhanden ist, die man in die Fabrik stecken könnte, um das zu bauen. Also da wird es ja nicht nur um die Kosten gehen, sondern eben auch um das Volumen an Personal, was da dann tatsächlich verfügbar ist. Wobei das vielleicht eine Ausnahme ist, weil es nicht viele Unternehmen gibt, die so groß sind wie Apple. Wie sehen Sie das?

Stefan: Da haben Sie recht, als wenn Sie rüber nach Shenzhen gehen und sich mal das Foxconn-Werk anschauen, wo 500.000 Leute arbeiten, das ist ganz Stuttgart. Das ist dann schon eine Größenordnung, die müssen Sie in anderen Ländern erst einmal abbilden können. Das geht in Kalifornien mit Sicherheit nicht. Auf der anderen Seite, wenn Sie sich Indonesien anschauen mit 200 Mio. Einwohnern oder Vietnam mit 80 Mio. Einwohnern, dann könnten die solche Fabriken meiner Meinung nach auch auf die Beine stellen. Ich kenne Mandanten, die treten an lokale Unternehmer und Fabriken in Vietnam heran. Da sagen die Vietnamesen: "Was willst du kleiner Deutscher hier? Du bist viel zu klein. Ich produziere für Walmart. Ihr kommt ja nicht mal teilweise an das heran, was Walmart bei uns bestellt." Von daher denke ich, die Volumen könnten auch woanders gestützt werden.

00:46:44 Aktuelle Diskussionen um das Finanzsystem SWIFT

Daniel: Es gibt, wie wir sehen viele Aspekte, die eine Rolle spielen bei der Überlegung, am Standort zu bleiben, vielleicht sogar neu hinzukommen oder auch den Standort zu verlassen. Eine Sache, die mich sehr interessiert ist: In den letzten Wochen hört man immer wieder auch infolge der Ukraine-Krise, der Sanktionen gegen Russland, dass China und eben jetzt neu auch Russland an einem eigenen alternativen Zahlungssystem oder Bankentransfersystem arbeiten, um unabhängig von SWIFT zu sein. Wird sowas auch bei Ihnen diskutiert? In der Presse? Wie nehmen Sie das wahr? Denn ein alternatives Zahlungssystem zu SWIFT hätte natürlich auch bestimmte Auswirkungen auf internationale Kooperationen, ganz unabhängig von dem politischen Druckmittel, jemanden nicht mehr auf SWIFT arbeiten zu lassen, was wir lange Zeit auch beim Iran gesehen haben. Der Iran wurde ja vom SWIFT ausgeschlossen, dann kam Obama, hat den Iran wieder reingeholt, dann kam Trump und hat sie wieder ausgeschlossen. Das hat enorme Auswirkungen auf die Möglichkeiten, Geschäfte in einem bestimmten Land zu ermöglichen. Wie sehen Sie das in der Region China?

Stefan: Das wurde hier in Hong Kong in der Presse noch nicht diskutiert. Wenn China sowas aufziehen möchte oder aufziehen wird, wird Hongkong mit Sicherheit dabei sein, schon aus politischen Gründen, weil die Anweisungen von oben kommt. Was hier schon seit ein paar Jahren diskutiert wird, ist, ob man diese Bindung des Hongkong Dollar an den US Dollar aufgibt zugunsten einer Bindung an den RMB. Das wurde immer wieder angedacht. Vor 2 Tagen war wieder ein Artikel in der Presse, das scheint sich aber nicht so richtig durchzusetzen.

Daniel: Wie würde das deutsche bzw. ausländische Unternehmen konkret betreffen?

Stefan: Da würde sich einfach der Wechselkurs ändern. Ich weiß jetzt nicht, wie sich der Wechselkurs zwischen RMB und US Dollar entwickelt hat in den letzten 2 bis 3 Jahren, aber ob das positive oder negative Auswirkungen hat, das kann ich Ihnen aus dem Stehgreif nicht sagen.

Daniel: Wahrscheinlich kommt es auch darauf an, ob ich mehr auf dem chinesischen Markt tätig sein und Absätze generieren will oder meine Produkte dort produzieren will und dann ins Ausland bringe.

Stefan: Das ist richtig. Da haben sie nach China hin keine Währungsschwankungen mehr, aber dann eben Richtung USA.

00:49:26 Singapur oder Hongkong als Standortvorteil?

Sebastian: Wenn ich jetzt als Unternehmer den südostasiatischen Raum bearbeiten möchte, dann würden mir sicherlich etliche Berater Hongkong empfehlen, aber andere würden empfehlen: "Schlag doch deine Zelte in Singapur auf." Wo sehen Sie jetzt konkret die Vorteile von Hongkong gegenüber Singapur für jemanden, der nicht nur Geschäfte in China, sondern im ganzen südostasiatischen Raum machen möchte?

Stefan: Singapur hat mit Sicherheit Vorteile, wenn es um den südostasiatischen Raum geht. Rein von der geographischen Nähe her sind Sie von Singapur aus schneller in Malaysia oder auf den Philippinen als hier von Hongkong aus. Von daher kann man sich einfach sagen, "Hongkong fits all" oder "Singapur fits all", so einfach ist das nicht. Wir haben viele Mandanten, viele Unternehmer, die haben 2 regionale Offices, eines hier in Hongkong für den nördlichen asiatischen Raum inklusive China, Korea, Japan und daneben gibt es noch Singapur. Das bearbeitet Südostasien.

Sebastian: Wie weit ist Singapur von Hongkong entfernt?

Stefan: Sie fliegen zweieinhalb Stunden. Das ist eine Autobahn, bis vor COVID ging ein Flieger pro Stunde.

Sebastian: Also die sind sehr gut connected, die beiden, auf dieser Distanz von 200.000 km. Sie würden im Grunde sagen, dass es keine Frage von entweder oder ist, sondern von sowohl als auch? Das heißt, Singapur für den südostasiatischen Raum und und Hongkong für den Rest von Asien?

Stefan: Ja, das macht absolut Sinn. Was wir derzeit sehen, ist eine Verschiebung von Arbeitsplätzen von Hongkong nach Singapur einfach aus dem Grund, dass Sie kaum mehr nach Hongkong reinkommen innerhalb der letzten 3 Jahre und Singapur seit Februar oder März wieder komplett offen ist. Was viele ausländische Unternehmen tun, die an beiden Standorten eine Firma haben: Die verlagern zurzeit Teile ihrer Organisation von Hongkong nach Singapur, einfach, um es den Mitarbeitern einfacher zu machen und damit der Mitarbeiter in Asien reisen kann. Das wird sich meiner Meinung nach wieder umdrehen. Sobald nach China die Grenzen wieder offen sind, weil Sie von Hongkong aus schneller in China sind, aber das ist der Vorteil, wenn Sie an beiden Standorten eine Firma haben.

Daniel: Ich habe eigentlich keine Fragen mehr auf meiner Liste.

Sebastian: Ich habe auch keine weiteren Fragen.

00:52:22 4 Frage zu Hongkong

Daniel: Vielen herzlichen Dank, Herr Schmierer, wir haben trotzdem natürlich noch 4 Fragen zum Ausklang unseres Gespräches. Welches ist denn Ihr regionales Lieblingsgericht, das Sie auch mal jemand anderem empfehlen würden in Hongkong?

Stefan: Hot Pot! Hot Pot ist so eine Art Fondue. Das kann man scharf machen, kann man nicht scharf machen, aber ich mag regelmäßig die scharfe Variante.

Daniel: Das müssen wir mal probieren! Wenn ich nur kurz, vielleicht einen oder zwei Tage in Hongkong bin, was muss ich unbedingt mal gesehen haben?

Stefan: Laufen Sie durch den Central District durch, schauen Sie sich die Hochhäuser an, laufen Sie durch die Shopping Malls durch, aber ganz wichtig: Springen Sie auf eine Fähre, fahren Sie auf eine Insel raus, setzen Sie sich an einen Strand und genieße Sie ein Bier an der Strandbar!

Daniel: Das hört sich jetzt doch danach an, dass ich mehr als einen Tag in Hongkong sein muss! Was ist ein No-go? Was sollte man keinesfalls tun, wenn man in Hongkong ist?

Stefan: Diskutieren Sie nicht über Politik!

00:53:46 Kontaktdaten Stefan Schmierer

Daniel: Das hätte ich mir auch fast gedacht. Die letzte Frage: Wie erreichen Sie denn interessierte Mandanten, interessierte Zuschauer, Zuhörer am besten?

Stefan: Wir haben einen Newsletter, bei dem jeder gern mit auf die Newsletter-Liste genommen werden kann. Wir haben einen YouTube-Kanal, auf dem wir sehr aktiv sind. Unsere Webpage ist natürlich überall verfügbar, wir sind sehr gut erreichbar über die deutsche und österreichische Handelskammer. Wir sind auch sehr eng vernetzt mit den beiden Konsulaten, von daher haben wir eine sehr gute Reichweite.

Daniel: Wenn jemand mit Ihnen Kontakt aufnehmen möchte, blenden wir Ihre Webseite mit ein und dann wäre dort dann die Telefonnummer und die E-Mail Adresse.

Stefan: Da ist eine generelle E-Mail-Adresse und die E-Mails an die generelle E-Mail-Adresse landen direkt bei mir auf dem Schreibtisch.

Daniel: Super!

Sebastian: Sehr gut.

Daniel: Herzlichen Dank, Herr Schmierer! Es hat uns viel Freude gemacht. Wir haben viel dazugelernt.

Stefan: Ich bedanke mich und wünsche noch einen schönen Tag!

Perspektive Ausland: Bis zur nächsten Folge von Perspektive Ausland, der Podcast für alle Unternehmer, die es ins Ausland zieht. Übrigens, wenn ihr keines unserer interessanten Videos mehr verpassen wollt, dann klickt doch jetzt gleich auf den Abonnieren- Button und auf die Glocke. Auch über Kommentare, Fragen oder einen Daumen hoch freuen wir uns sehr.

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